Tempolimit-Diskussionen und (Schein-) Argumente

TL/DR

Ist die Fahrtzeit ein Argument gegen ein generelles Tempolimit? Klar ist sie das. Es gibt einen Teil der Autofahrer und Autofahrerinnen, bei denen sich der Arbeitsweg zeitlich verlängern würde. Ist das für diese Leute individuell gefühlt ein Problem? Kann gut sein.

Und jetzt kommt das ABER:

  • Längst nicht alle Deutschen nutzen ein Auto um zur Arbeit zu kommen oder für die Arbeit selber.
  • Von denjenigen, die mit dem Auto fahren (müssen), fahren längst nicht alle Autobahn.
  • 43 % der Deutschen Autobahnen haben schon jetzt Geschwindigkeitsbeschränkungen.
  • Auf den Teilstrecken ohne Geschwindigkeitsbeschränkung sind sehr viele Menschen unterwegs, die weniger als 250 km/h fahren - auch auf der Überholspur.
  • Wenn ein Tempolimit auch nur 5% der Deutschen real betreffen würde, fände ich den Wert schon hoch, da folgendes gelten muss: Fahren Auto UND wollen über 130 km/h fahren UND können zumindest auf Teilstrecken über 130 km/h fahren UND sparen durch die Anteile, die sie über 130 fahren, praktisch signifikant Zeit ein (mehr als 5%).

Es gibt viele Randbereiche, die ich nicht berücksichtigt habe. Berufskraftfahrer (oder solche, bei denen der Weg zum Kunden mit dem Auto zurückgelegt werden muss) haben zeitlich eventuell ein grösseres Problem. Wobei das nicht so viel grösser werden kann als 4% eines acht Stunden Tages: 20 Minuten.

Oder auch: Wenn sich mal jeder kurz Anschauen würde, wie schnell wir im Schnitt so fahren, kämen wir sicher darauf, dass keiner (auch nicht jemand mit einem Bugatti) über 130 km/h Durchschnitt kommt. Wenn wir uns dann noch anschauen, wie viel davon wir tatsächlich über 130 km/h fahren, wird die ganze Diskussion hinfällig. Niemand verliert irgendwas, ausser der «Freiheit». Aber wir haben schon die «Freiheit» verloren, vor der Autofahrt eine Kiste Riesling zu trinken, die «Freiheit», während der Fahrt das Handy am Ohr zu haben, die «Freiheit», unsere Kinder ohne Gurt im Kofferraum zu platzieren. Da sollte diese letzte, kleine Freiheit für die Automobilisten doch nicht mehr das pièce de résistance sein.

Warum mich Scheinargumente so, so, so nerven

Seit Jahren wird mehr und mehr und immer hitziger diskutiert. Während ich den Meinungsaustausch und auch den Austausch von Argumenten schön und wichtig finde, ist meine Freude um die immer hitzigere Form dessen - bis hin zu Beleidigungen und Drohungen - eher klein.

Es fällt mir auch immer schwerer, Menschen zuzustimmen, die die - meiner Meinung nach - richtige Position vertreten, wenn dies mit Lügen passiert. Wenn ich zustimmen will, ist es traurig nicht einfach sagen zu können «Da hässe Rääch!», weil das Argument einfach entweder komplett übertrieben oder im schlimmsten Fall schlicht falsch ist (was ja nicht heisst, dass die Meinung / das Ziel falsch sein muss). Hingegen kann ich sehr gut damit Leben, beziehungsweise dagegen argumentieren, wenn jemand die meiner Meinung nach falsche Position mit Lügen oder Übertreibungen vertritt. Das macht die Argumentation wesentlich leichter.

Ich verstehe, dass es bei einigen wenigen passiert, weil sie schlicht nicht die geistige Kapazität haben, und bei den Meisten, weil sie sich nicht die Zeit nehmen (wollen), ein passendes Argument zu prüfen, bevor sie es in ihre Argumentation einbauen. Dann gibt es die zum Glück sehr wenigen, die bewusst Lügen, Schein-Argumente nutzen, die diese Konstruieren (sich ausdenken), um ihre Meinung zu untermauern. Diesen Menschen mangelt es nicht unbedingt an Intelligenz, aber mit Sicherheit an Anstand.

Grade fleucht wieder ein Argument durch die Landschaft, dass ein Tempolimit ja zu erhöhten Fahrtzeiten auf dem Arbeitsweg führt (das natürlich richtig ist, so man denn auf dem Arbeitsweg ein Auto und Tempolimit-freie Autobahnen nutzt). Für die Argumentation für ein Tempolimit wird sie ähnlich, aber ein bisschen weniger falsch verwendet.

Ich habe mal in meinem Leben zurückgeblickt. Mit Knapp 50 kann man damit enorm viel Zeit verdödeln. Vor gut 20 Jahren bin ich immer wieder dieselbe Strecke zu einem Kunden für ein kurzzeitiges Projekt gefahren; die ersten drei Monate, dann weitere drei, dann nochmal sechs, ... Ihr könnt Euch vorstellen, wo das hinführt. Wer jetzt «Klimasünder!!!» ruft, hat leider recht. Ich war jung und habe wenig nachgedacht. Heute wäre das für mich keine Option mehr.

Im ersten Jahr bin ich täglich gefahren was die Karre hergegeben hat (nicht ganz, bei 220 km/h war bei mir Schluss). Nachdem dann das zweite Jahr kam, habe ich für mich entschieden, dass 130 km/h reichen und ich lieber später ankomme als gestresst anzukommen. Auch das war unbefriedigend, als klar war, dass das dritte Jahr kommen würde, habe ich mir eine Wohnung am Arbeitsort genommen.

Meine rechnerischen Verluste

Jetzt also zu dem massiven Zeitverlust: Von den 270 km pro Tag bin ich 240 auf Autobahnen gefahren. Rund 60%, also 144 km davon waren ohne Tempolimit, was in etwa den 57% im Deutschen Durchschnitt entspricht. Auf den 30 km von und zur Autobahn nehme ich mal einen Durchschnitt von 80 km/h an. Für die brauche ich also gut 22 Minuten, die gleich bleiben, egal wie das Tempolimit auf der Autobahn ist.

Für den Teil mit Tempolimit (96 km) nehme ich einen Durchschnitt von 120 km/h an, der auch gleich bleibt, egal ob ein generelles Tempolimit kommt oder nicht. Das sind 48 Minuten.

Das bedeutet, das ich täglich eine Stunde und zehn Minuten komplett losgelöst von einem generellen Tempolimit verbringe. Jetzt also die 144 km, auf denen ich die Sau rauslassen kann (das ist nicht so positiv gemeint, wie es klingt). Fahre ich dort 220 km/h, brauche ich nur 39 Minuten - falls sonst keiner Unterwegs ist, aber dazu dann gleich. Fahre ich 130 km/h brauche ich für den Teil 66 Minuten, also eine Stunde und sechs Minuten - auch hier: Sofern ich alleine auf der Autobahn bin.

Rein rechnerisch brauche ich also mit einem generellen Tempolimit von 130 km/h pro Tag 27 Minuten länger als ohne dieses. Das bedeutet, dass ich ohne Tempolimit meinen täglichen Arbeitsweg von 2:16 auf 1:49, also um knapp 20% reduzieren kann. Bei zweihundert Arbeitstagen sind es 90 Stunden pro Jahr, die ich rechnerisch mehr mit Familie und Freunden verbringen kann. Bei diesem rein rechnerischen (weil unrealistischen) Beispiel kommen dann auch Zusatzkosten durch höheren Spritverbrauch von rund 2'880 € (144 km, 200 Tage und optimistische fünf Liter Mehrverbrauch bei 220 gegenüber 130) hinzu. Jede dieser 90 Stunden kostet also 32 €.

Und jetzt zur Realität

Jetzt zu den Erfahrungswerten. Auf der Strecke bin ich (beim Sau rauslassen) seltenst über 160 km/h gekommen, weil einfach noch viele andere dieselben Autobahnen genutzt haben. Wenn ich ausserhalb des Berufsverkehrs gefahren bin, habe ich im ersten Jahr ohne Limit knapp etwas über zwei Stunden (sagen wir im Schnitt 2:10) Fahrtzeit pro Tag gehabt. Im zweiten Jahr mit einem selbstauferlegten Limit von 130 km/h habe ich rund 2:20 gehabt.

Ich habe also durch massiv mehr Stress (Beschleunigen, Bremsen, Beschleunigen, Bremsen, ...) 10 Minuten pro Tag oder 4% der Fahrtzeit eingespart. Das macht dann im Jahr grade mal 33 Stunden aus. Dennoch können diese zehn Minuten viel Wert sein. Ich finde aber, dass sie es nicht Wert sind, meiner Familie und meinen Freunden mit meinem gestressten Gemüt auf den Sack zu gehen.

Und ich rede von 4% der Fahrtzeit. Wenn ich jetzt annehme, dass ich acht Stunden arbeite und insgesamt eine Stunde Pause mache, bin ich am Tag (mit Tempolimit) 11:20 Stunden weg. Durch den Wegfall des Tempolimits könnte ich das auf 11:10, also um saubere 1.4% reduzieren.

Der/die durchschnittliche Deutsche legt (Stand 1999) übrigens nur knapp 34 km Arbeitsweg zurück. Würde er/sie also auf der Autobahn wohnen und die Arbeitsstätte auf der Autobahn liegen, keine Streckenabschnitte mit Tempolimit dabei sein und alle anderen Verkehrsteilnehmer eingesperrt werden, bräuchte diese Person bei einem generellen Tempolimit von 130 km/h knapp 16 Minuten pro Tag. Hätte diese Person einen schnellen Wagen und würde diesen mit 250 km/h ausfahren, wäre das nur noch acht Minuten. Fast 50% einsparen klingt schon verlockend. Aber ohne Ortsdurchfahrt und Landstrasse kommen wohl die wenigsten zur Autobahn.

Corona – Shit just got real

Meine Toleranz für «Coronaskeptiker» wurde in den letzten Wochen schon arg reduziert. Und den Begriff Toleranz bitte ich, in diesem Kontext im Sinne von Harald Schmidt zu verstehen: «Dieses laue Gefühl aus Ekel, Verachtung und Mitleid - genannt Toleranz.»

Nun ist es heute Morgen soweit gewesen. Eine Person aus unserem Umfeld hatte am letzten Dienstag Kontakt mit einer anderen Person, die jetzt positiv auf Covid-19 getestet wurde. Wir haben uns zuletzt am letzten Donnerstag gesehen. Auch wenn das Risiko minimal ist:

  • Sie ist vorsichtig, hat sich also wahrscheinlich nicht angesteckt.
  • Selbst wenn: Nach nicht ganz 48 Stunden ist sie wahrscheinlich noch nicht sehr ansteckend.
  • Wir haben Abstand gehalten und sie hat eine FFP2-Maske getragen (sie ist eben sehr vorsichtig, da sie im Job mit Menschen zu tun hat).

Heute (Sonntag) lässt sie sich testen. Wir denken jetzt drüber nach, was das für uns bedeutet und was ein positives Testergebnis bei ihr für uns bedeuten würde. Abgesehen davon denken wir auch über allfällige Folgen für sie und ihre Familie nach.

  • Natürlich begeben wir uns bis zu ihrem (hoffentlich negativen) Testergebnis in Quarantäne.
  • Natürlich sind wir froh, am Freitag und Samstag die Einkäufe mit Maske erledigt zu haben. Auch wenn wir nichts wussten und keine Symptome hatten, hätten wir ansteckend sein können.
  • Natürlich werde wir uns Im Falle eines positiven Testergebnisses bei ihr voraussichtlich am Dienstag / Mittwoch auch testen lassen und bis zum Ergebnis weiter zuhause bleiben.
  • Und sollten wir auch ein positives Testergebnis haben: Fuck! Keine Panik, klar, aber Angst. Der dicke, asthmatische Deutsche gehört zur Risikogruppe.

Und das ist der Grund, der meine Toleranz gegenüber mathematisch minderbegabten «Skeptikern» auf null sinken lässt. Ein «Ich trage keine Maske und verzichte nicht auf Parties, weil das meine persönliche Freiheit einschränkt.» ist nur eine andere Formulierung für «Dein Leben ist mir weniger Wert als meine ‹persönliche Freiheit›».

So ist in dieser Situation die eigene persönliche Freiheit extrem wichtig, während erstaunlicherweise von Chirurgen erwartet wird, dass sie Hygienemassnahmen bei OPs beachten; von anderen Autofahrern erwartet wird, einen über den Zebrastreifen zu lassen und nicht zu überfahren; oder kurz: Die «persönliche Freiheit» anderer ist nicht mehr relevant, wenn es um die eigene Gesundheit geht.

Und genau dieses Recht nehme ich mir jetzt auch raus: Eure «persönliche Freiheit» interessiert mich einen Dreck, wenn es um meine Gesundheit geht. Insbesondere dann, wenn diese persönliche Freiheit an solchen Nichtigkeiten festgemacht wird. Wenn Ihr für meine Gesundheit Waterboarding oder einen Job mit ungeschütztem Kontakt zu Atommüll auf Euch nehmen müsst, bin ich bereit, das Ganze erneut zu reflektieren. Aber Masken? Hell no!

Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen: Natürlich könnt Ihr ein erhöhtes Ansteckungsrisiko auf Euch nehmen, wenn Euch anderes wichtiger ist. Es wäre sowieso absolut sinnvoll, Euch aus dem Genpool der Menschheit zu verabschieden (schlagt das nach, es ist sehr böse). Aber Ihr entscheidet damit auch für andere und das ist – mit Verlaub – asozial.

Heisst das, ich finde alle Massnahmen sinnvoll und richtig? Heisst es, die in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Menschen und Firmen sind mir egal? Nein und nein.

Die Massnahmen sind in meiner Wahrnehmung teilweise überzogen und teilweise nicht weitgreifend genug. Aber ich bin kein Epidemiologe und kein Virologe. Meine Grundkenntnisse in Mathematik und Statistik reichen aber, um das Problem zu verstehen.

Natürlich musste die Politik einen Mittelweg finden bei dem Massnahmen einerseits wirken und andererseits breit genug akzeptiert werden, um eingehalten zu werden und damit wirken zu können. Dieses Abwägen ist jetzt wahrscheinlich durch, da zu viele die weniger rigorosen Massnahmen wegen ihrer «persönlichen Freiheit» nicht akzeptiert haben. Ich bin jedenfalls froh, im Kanton Bern zu leben, in dem der Regierungsrat «Eier» gezeigt und bereits rigorosere Massnahmen umgesetzt hat.

Aber was ist mit Gastronomie, Hotellerie und der Veranstaltungsbranche (und wahrscheinlich noch vielen anderen)? Tja, für die ist es in der Tat richtig Scheisse, sie tun mir leid und der Staat sollte sie unterstützen. Wo wir es können, unterstützen auch wir.

Aber würde es diesen bedrohten Branchen helfen, wenn wir jetzt zum normalen Verhalten zurückkehrten? Ich glaube nicht. Der Tourismus (mit Hotellerie und Restaurants) lebt stark vom Ausland. Im Moment kann man das gepflegt hacken, da wohl keiner sich freiwillig einer erhöhten Ansteckungsgefahr aussetzt … in der Zeit, die man zum Abschalten und Entspannen nutzen will. Auch Einheimische wollen lieber (Über-) Leben als mal um die Ecke Essen zu gehen. Ohne Schutzkonzepte wären die Restaurants leerer. Insbesondere, wenn die Freiheitsliebenden dann auch noch krank werden und zu einem (kleinen) Teil aussterben.

Die Eventbranche ist für mich persönlich das Schwierigste. wie gern würde ich wieder ein Konzert oder ein Fussballspiel live sehen. Im Moment traue ich mich aber nicht, weil ich derzeit (grade als Asthmatiker) meine Fähigkeit zu Atmen und weiter zu Leben viel höher bewerte als diesen Drang. Auch hier (Events und Kultur) muss der Staat unterstützen. Es wäre dramatisch, gäbe es nach der Pandemie die ganze wertvolle Branche nicht mehr. Wir müssen auch dran denken, dass Künstler per Alben oder Online noch ein kleines Einkommen generieren können, aber Licht- und Tontechnik quasi einen Totalausfall hat.

Was will ich denn jetzt eigentlich?

Ich will sagen:

  • Wer die aktuellen Massnahmen wegen seiner «persönlichen Freiheit» ignoriert, ist für mich asozial. «Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.» Immanuel Kant (1724-1804)
  • Die Politik hat einen scheissschweren Job, bei dem sie immer gefickt sind. Es wird immer Leute geben, die sagen «viel zu wenig», und andere, die sagen «viel zu viel». In diesem Spannungsfeld machen Bund und Kanton Bern meiner Meinung nach einen guten Job (auch wenn ich mir – Stand heute – mehr wünschte).
  • Ich hätte diese Pandemie extrem gerne ohne bleibende Schäden an Gesundheit und Wirtschaft hinter mir. Das ist allerdings nur ein sehr frommer Wunsch, den ich zwar auf meine Wunschliste schreiben werde, den der Weihnachtsmann aber in diesem Jahr wohl nicht erfüllen wird.
  • Haltet Euch an die Regeln. Wenn Ihr Eure Freiheit über die Rebellion gegen diese Regeln definiert, ist es nicht sonderlich weit her mit dieser Freiheit. Definiert sie doch darüber, dass Ihr zuhause nackt rumlaufen dürft.

Gangsta-Rap

Vor kurzem hat Herr Natischer (@Herr_Natischer) einen Link zu einem Musikvideo von Sens Unik vs. Die Fantastische Vier (Original) auf Twitter geteilt und mit dem folgenden Kommentar versehen:

Und das, liebe Kinder, sind nur 2 von sehr vielen Gründen, warum wir älteren Frau- & Herrschaften dieses heutige Hipgehoppe oft eher so mittel finden.

Da hat er recht und ich kann das so gut nachvollziehen. Es gibt unglaublich viele coole und authentische Hiphoppler, die es nicht nötig hatten oder haben, für die Bekanntheit einen auf Bad-Boy/-Girl – oder genauer unglaublicher Dummbatz / unglaubliche Dummbatzin – machen zu müssen. Die waren einfach auch ohne dieses gekünstelte Gehabe gut genug um erfolgreich zu sein.

Und dann habe ich grade heute heute von einem (mir) unbekannten Deutschen Gangstarapper gelesen, der Shahak Shapira in einer Sprachnachricht nicht nur auf's übelste beschimpft sondern auch bedroht hat, weil dieser sich erdreistete, Drohungen dieses … mir fällt kein passender Kraftausdruck ein … gegen eine Frau öffentlich zu machen. Hier könnte man natürlich sagen: Fair enough, das ist halt Marketing (der meint das nicht so, der will doch nur spielen). Man könnte aber auch sagen: Eine polizeiliche Massnahme wäre das mindeste.

Eine Geschichte von vor vielen Jahren

Und als ich über diese Scheisse nachgedacht habe (passiert von Zeit zu Zeit und ist nicht so schmerzhaft, wie man vermuten würde), fiel mir eine Geschichte ein, die ich vor vielen Jahren auf den Kanaren erlebt habe (most likely: Gran Canaria).

Ich war viel zu früh in einem Club in dem «Black Music» laufen sollte. Der DJ war imposant: 1.90, 120 kg Muskeln, schwarz, aus Detroit und unglaublich sympathisch. Weil noch nichts los war, sind wir ins Gespräch gekommen. Und als er dann angefangen hat, sass ich neben ihm. Das ist noch nicht die Geschichte. Das ist die Vorgeschichte. Es kommt mehr.

Jedenfalls sind gegen Mitternacht, die jugendlichen Gangsta-Rapper aus den Englischen Mittelstandsvierteln aufgelaufen. Natürlich haben sie sich in Hinblick auf ihre Street-Cred verhalten wie Biggie oder Tupac. Das ist nachvollziehbar. Ich hab mich in dem Alter auch aufgeführt wie der Undertaker (peinlich, ist aber so).

Was ich dagegen traumhaft schön fand (insbesondere, weil es nicht aus bösem Willen passierte, sondern wirklich spontan war): Der DJ, dem ich die Gangsta-Rap Schose definitiv abgenommen hätte, musste laut und lange Lachen, als er die Kinder sah, die im Prinzip wie kleine Ali-Gs aussahen, nur dass es bei ihnen im Gegensatz zu Sacha Baron Cohen eben keine Satire war.

Deutscher Gangsta-Rap macht auf mich genau denselben Eindruck einer ungewollten Parodie: Von aussen lächerlich, aber im Kern ernst.

Nationalstolz und Schopenhauer

Das mit der Schlagzahl ist schwierig. Mein Kopf gibt zu wenig her. Schlimm!

Deswegen heute mal ganz leichte Kost von Thüru aus dem 19. Jahrhundert. Der Mann hat sich zwar etwas gebogen ausgedrückt (für heutige Verhältnisse), hat für mein Empfinden aber den Begriff «Nationalstolz» sehr treffend definiert.

Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.

Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Von dem was einer vorstellt.

 

Neue Technologien und alte Entscheider

In der Schweiz sind sich Politiker – ähnlich wie überall auf der Welt – für nichts zu schade. Irgendwelche Politiker denken sich «Hey, jetzt kann ich schon seit fast zwei Jahren mein Faxgerät unfallfrei bedienen, also schlage ich doch mal vor, wie man diese neuen Technologien nutzen sollte.»

Und das ist ja an sich eine gute Sache, wenn auch ältere Leute sich mit den Chancen neuer Technologie befassen. Nur leider verstehen sie im Regelfall maximal einen winzigen Teilaspekt des Ganzen.

Kommen wir also zum Stein meines Anstosses: Ruth Humbel, eine Nationalräten der CVP, hat einen Motion (18.3976) lanciert, die unter anderem zum Ziel hat, die Daten von Fitnesstrackern für Krankenkassen legal nutzbar zu machen. Damit sollen diese Versicherungen Bonusmodelle auf unsere Aktivitäten basieren können.

Ruth Humbel ist rund drei Jahre jünger als meine Mutter und beruflich «Beraterin im Gesundheitswesen» (hier sollten wir die Frage nach einem allfälligen Interessenkonflikt einsinken lassen). Allerdings haben einige (22) ihrer Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat diese Motion mitunterzeichnet, vermutlich sind da auch jüngere dabei, die keine «Beraterin im Gesundheitswesen» sind.

Denen soll man keine Plattform bieten …

Diesen Satz hört man ständig und er bedeutet im Regelfall: «Ich bin nicht deren Meinung und deswegen sollten sie ihre Meinung nicht öffentlich kundtun dürfen (insbesondere, so lang mir keiner eine Plattform für meine, die richtige Meinung gibt).» Ich gebe (ungern) zu, dass der Teil in der Klammer etwas überspitzt ist.

Besonders gern wird der Satz dann bemüht, wenn ein Medium, das wir eigentlich auf «unserer Seite» wähnen, jemandem von der «anderen Seite» Platz/Zeit einräumt. Und bis zu einem gewissen Grad ist das ja auch richtig: Wenn mein Medium Pro-Asyl ist, sollte ich die Thesen eines Herrn Sarrazin vielleicht nicht umkommentiert abdrucken, ihn vielleicht nicht zum Interview laden und von einer Vollpfeife befragen lassen.

Die beiden wichtigen Begriffe hier sind «umkommentiert» und «Vollpfeife».

Die Schlagzahl halten

Dieses Blogzeugs ist gewöhnungsbedürftig. Jeden Tag irgendwas ins Internet schreiben, was ansonsten in meinem Kopf vor sich hin fault … gesund, aber anstrengend. Also für mich gesund, für sie nur anstrengend.

Was passiert, wenn das Endlager in meinem Kopf leer ist? Naja, won't happen too soon. Allein schon, weil ich fast täglich Auto fahre, in einem Touristenmekka wohne und mich im Internet bewege. Das gibt Stoff für den Wutbürger in mir.

Vielleicht kommt am Wochenende was zu dem Thema «Denen keine Plattform bieten» … das ist ein schönes Thema, das unglaublich viel Potential für mein Unverständnis hat.

Lügenpresse!!!

Bevor jetzt jemand denkt, dass diese Vokabel zu meinem aktiven Wortschatz gehört: Sie tut es nicht. Der Gebrauch dieses Wortes lässt mich aber oft ratlos zurück.

«Lügenpresse» ist im allgemeinen Sprachgebrauch mit «Presse, die nicht meiner Meinung ist» gleichzusetzen. Besonders spannend finde ich, dass ein und dieselbe Person eine Zeitung als «Lügenpresse» bezeichnet, weil dort etwas steht, was nicht der eigenen Meinung, dem eigenen Weltbild entspricht. Steht aber in derselben Zeitung etwas, was die Person unterstützt, wird daraus entweder ein «Das muss stimmen. Es steht ja sogar in der Zeitung.» oder sogar ein «Wenn das selbst die Lügenpresse eingesteht, muss es ja wahr sein.» Dieselbe Person, dieselbe Zeitung!

Wenn man jetzt einmal davon absieht, dass die Vokabel «Lügenpresse» intensiv von der NSDAP genutzt wurde (was ich tendenziell eher kritisch finde), fragt sich der Linguini in mir: Wie kann man etwas wie «Wenn es in der Lügenpresse steht, muss es wahr sein» sagen, ohne dass es einen äusserst schmerzhaften Knoten im Gehirn verursacht?

Lügen für den guten Zweck

Eine Unart in Politik und sozialen Medien ist es, für den «guten Zweck» zu lügen, das eigene Ziel mit Fehlinformationen zu verfolgen. Ein wunderschöne Beispiel dafür war ein Bild, dass in den sozialen Medien zum Hambaches Forst, beziehungsweise dessen Abholzung für den Braunkohlebergbau kursierte.

Generell bin ich dagegen, dass Wald abgeholzt wird um Kohle abzubauen. Wir sollten aus der Zeit der Notwendigkeit hierfür herausgewachsen sein. Und weil ich grade letzte Woche auf den «Migrationskritikern» rumgehackt habe, ist dieses Thema doch ein wunderschönes Beispiel, gefühlt vom anderen Ende des Spektrums. Jedenfalls stand auf diesem Bild Folgendes:

Der Hambacher Wald existiert seit der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren.

In 4 Wochen soll der letzte grosse Mischwald Mittel-Europas gerodet werden.

Teile dieses Bild, wenn du es für ein Verbrechen hältst, dass dieser Wald für den Kohleabbau weichen soll!

Reinhard Schinka, ein geschätzter Freund von mir und Gegner des Abholzens hat sich die Mühe gemacht, die Inhalte zu hinterfragen und zu recherchieren, weil er Fakten fast genauso cool wie Bäume findet:

  • Die meisten Wälder Europas existieren wohl seit der letzten Eiszeit (genauer Kaltzeit).
  • Über 75% der Wälder in Deutschland (Anm. des Klugscheissers: das gemeinhin zu Mitteleuropa gezählt wird) sind Mischwälder.
  • Der Hambacher Forst umfasst 200 ha Wald (100 ha davon sollen abgeholzt werden). Allein der Koblenzer Stadtwald hat eine Fläche von rund 2'750 ha. Die Ardennen (Anm. des Klugscheissers: als Teil Frankreichs werden die meist auch zu Mitteleuropa gezählt) sind überwiegend Eichen-Mischwälder, die über 1'200 km² umfassen (Anm. des Mathematikers: also rund 120'000 ha).

Das Ganze ist dann noch mit einer Sicht auf einen anderen Waldabschnitt bebildert.

Fussball Stockhorn Arena

«Fankultur»

Wir waren am Samstag zum ersten Mal bei einem Fussballspiel der Super League. Dass «unser Club» gut gespielt und gewonnen hat, hat meiner Begeisterung sicher auch geholfen. Ich kann jetzt also besser verstehen, dass jemand 18 Wochenende (oder sogar 36, wenn er/sie zu den Auswärtsspielen fährt) mit «seinem Club» verbringen will.

Wer mich kennt, der vermutet in dem grade geschriebenen schon ein «aber». Es ist ein grosses «aber». Noch vor dem Spiel fiel mir im «Fan»block ein Plakat auf: «Lügenpresse auf die Fresse». Zuerst dachte ich «Höh? Was hat denn das mit Fussball zu tun?», dann «Naja, es ist alles richtig geschrieben und reimt sich sogar». Für einen kleinen Moment war ich linguistisch tief beeindruckt. Dann dachte ich, dass es wahrscheinlich Mami korrekturgelesen und genäht hat. Aber: Was zur Hölle hat dieses Plakat mit Fussball zu tun?

Vielleicht war der Wunsch der armen Würste ja nur, aufzufallen. Das ist gelungen. Ich hab's gelesen, es ist hängen geblieben. Ein kleiner Verbesserungsvorschlag für die Zukunft: «Ich bin ein bisschen dumm, kann aber nichts dafür, weil Mami und Papi Geschwister waren» fällt auch auf, wird gelesen, bleibt hängen UND ihr kriegt dafür auch noch Sympathien, weil ihr ja offensichtlich nichts dafür könnt.

Logo BrainDrain white

Was ich mache

  • Dummes Zeug in diesen Blog schreiben
  • Kluges Zeug in diesen Blog schreiben
  • Belangloses Zeug in diesen Blog schreiben
  • Wichtiges Zeug in diesen Blog schreiben
  • Zeitung lesen
  • Rumreisen
  • Alles was ich schreibe, ist meine Meinung, und damit aus meiner Sicht immer vollkommen korrekt.
  • Alles was ich schreibe, ist meine Meinung, und damit aus Sicht Anderer mitunter nicht korrekt.
  • Als Projektmanager arbeiten (für den Blog irrelevant)
  • Als Kommunikationsdödel arbeiten (für den Blog irrelevant)
  • Als Websiteentwickler arbeiten (naja, ein bisschen relevant, weil ich komische Sachen ausprobiere)

Kontaktinformationen

Bitte kontaktieren Sie mich nicht. Ich spreche nicht gerne mit Menschen.

Öffnungszeiten:
Immer dann, wenn der Druck auf der Grosshirnrinde unerträglich wird.

Copyright 2018 BrainDrain.ch © All Rights Reserved