«Fankultur»

Wir waren am Samstag zum ersten Mal bei einem Fussballspiel der Super League. Dass «unser Club» gut gespielt und gewonnen hat, hat meiner Begeisterung sicher auch geholfen. Ich kann jetzt also besser verstehen, dass jemand 18 Wochenende (oder sogar 36, wenn er/sie zu den Auswärtsspielen fährt) mit «seinem Club» verbringen will.

Wer mich kennt, der vermutet in dem grade geschriebenen schon ein «aber». Es ist ein grosses «aber». Noch vor dem Spiel fiel mir im «Fan»block ein Plakat auf: «Lügenpresse auf die Fresse». Zuerst dachte ich «Höh? Was hat denn das mit Fussball zu tun?», dann «Naja, es ist alles richtig geschrieben und reimt sich sogar». Für einen kleinen Moment war ich linguistisch tief beeindruckt. Dann dachte ich, dass es wahrscheinlich Mami korrekturgelesen und genäht hat. Aber: Was zur Hölle hat dieses Plakat mit Fussball zu tun?

Vielleicht war der Wunsch der armen Würste ja nur, aufzufallen. Das ist gelungen. Ich hab's gelesen, es ist hängen geblieben. Ein kleiner Verbesserungsvorschlag für die Zukunft: «Ich bin ein bisschen dumm, kann aber nichts dafür, weil Mami und Papi Geschwister waren» fällt auch auf, wird gelesen, bleibt hängen UND ihr kriegt dafür auch noch Sympathien, weil ihr ja offensichtlich nichts dafür könnt.

Die Halbzeitshow

In der Pause war sich der «Fan»block dann nicht zu schade dafür, die Kapelle, die gratis in der Pause aufgetreten ist, auszubuhen. Wohl, weil sie der Meinung sind, dass das Verbot von Pyros im Stadion direkt mit der «Halbzeitshow» zusammenhängt (how … why … what the fuck?). Jemanden auszubuhen, der freiwillig und gratis seine Zeit für den Verein gibt, dessen «Fan» zu sein man vorgibt, lässt mich wieder mit der Frage zurück: Wie wichtig ist solchen Menschen der Verein? Dieselbe Frage hat sich wohl der Vereinspräsident gestellt, der diesen «Fans» öffentlich die Leviten gelesen hat (Chapeau!). Sie hatten übrigens auch passende Banner dazu, die sich wieder gereimt haben (dafür: Erstaunen und Respekt!).

In der Halbzeit habe ich auch gelesen, dass ein Teil dieser «Fans» die gegnerischen Fans mit Eisenstangen und Ähnlichem begrüssen wollte, was von der Polizei zum Glück verhindert wurde. Auch hier: Was zur Hölle hat das mit Fussball zu tun?

Sind also alle Fans Deppen?

Nein. Ich kenne viele echte Fans, die ihre Mannschaft, ihren Verein, ihre Spieler durch Dick und Dünn unterstützen (ich komme aus der Pfalz und habe beim 1. FCK sowohl Dick als auch extrem Dünn intensiv miterlebt), denen Fussball wichtig ist. Ich kenne zwei Leute, die in Deutschland bei grösseren Clubs Fanarbeit machen und versuchen, die fehlgeleiteten Krawallos zu integrieren und aus ihnen echte Fans zu machen. Ich weiss aber auch, wie schwer (teilweise unmöglich) das ist.

Und was machen die Vereine?

Die Vereine arbeiten daran. Nahezu alle Vereine haben Fanbetreuer, die versuchen, aus «Fans» echte Fans zu machen; die nach Wegen suchen, wie alle das Spiel, das Vereinsleben gemeinsam geniessen können; wie alle ihre Begeisterung für den Fussball und ihre Mannschaft ausleben können … ohne Verletzte, ohne Gewalt und ohne Pyros.

Wenn wir hier mal rechnen: Nehmen wir an, dass pro Spiel rund 6'500 Zuschauer kommen. Nehmen wir weiter an, dass pro Spiel 500 Fans nicht kommen, weil sie ihrer Familie (oder sich selbst) die Gewaltbereitschaft und die Fanexzesse nicht zumuten wollen. Diese Zahl ist eine Schätzung aus meinem Bekanntenkreis. Ich kenne Leute, die früher bei jedem Spiel einer Mannschaft waren, heute aber weder sich selbst, noch ihrer Familie den Stress im Stadion geben wollen. Das Stadion wäre voller und die Stimmung besser, wenn diese Menschen kommen würden. Ich denke, dass man darüber nicht gross streiten muss.

Was bringen die «Fans» dem Fussball?

Nehmen wir weiter an, ein Verein hat 150 «Fans», die rund 300 Franken pro Jahr für die Jahreskarte Stehplatz ausgeben. Sie bringen 45'000 Franken. Nehmen wir weiter an, der Verein hat die oben genannten 500 Fans, die wegen der «Fans» lieber zuhause bleiben, das sind 200'000 Franken (weil nicht nur Stehplätze, teilweise nur einzelne Spiele, …). Die fehlgeleiteten «Fans» kosten den Verein also 150'000 Franken. Je nach Verein ist das eine durchaus relevante Summe, aus der man unendlich viele gratis-«Halbzeitshows» oder Jugendarbeit für die Zukunft finanzieren könnte.

Man darf also sagen, dass die «Fans» dem Verein und dem Fussball insgesamt weniger als gar nichts bringen.

Ich verstehe in dem Kontext auch nicht ganz, wieso solche Menschen (for loss of a better word) sich einem Super League Verein anschliessen. Sie wollen keine Kommerzialisierung (Halbzeitshow). Sie sind gegen Spieler, die vom falschen Ende ihrer Heimatregion stammen, oder gar aus der falschen Region der Schweiz oder – Gott bewahre – der Welt. Geht doch zu einem Verein, der in einer tiefen Liga spielt. Dort sind meist alle Spieler aus der Region/dem Dorf, für auswärtige Spieler oder eine Halbzeitshow ist kein Geld da … Kommerzialisierung wird also ganz schwierig. Klingt das nicht nach der Erfüllung all eurer Wünsche? In der höchsten Liga mitspielen zu wollen und Kommerz zu verteufeln, ist ein bisschen schizophren.

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