Bevor jetzt jemand denkt, dass diese Vokabel zu meinem aktiven Wortschatz gehört: Sie tut es nicht. Der Gebrauch dieses Wortes lässt mich aber oft ratlos zurück.
«Lügenpresse» ist im allgemeinen Sprachgebrauch mit «Presse, die nicht meiner Meinung ist» gleichzusetzen. Besonders spannend finde ich, dass ein und dieselbe Person eine Zeitung als «Lügenpresse» bezeichnet, weil dort etwas steht, was nicht der eigenen Meinung, dem eigenen Weltbild entspricht. Steht aber in derselben Zeitung etwas, was die Person unterstützt, wird daraus entweder ein «Das muss stimmen. Es steht ja sogar in der Zeitung.» oder sogar ein «Wenn das selbst die Lügenpresse eingesteht, muss es ja wahr sein.» Dieselbe Person, dieselbe Zeitung!
Wenn man jetzt einmal davon absieht, dass die Vokabel «Lügenpresse» intensiv von der NSDAP genutzt wurde (was ich tendenziell eher kritisch finde), fragt sich der Linguini in mir: Wie kann man etwas wie «Wenn es in der Lügenpresse steht, muss es wahr sein» sagen, ohne dass es einen äusserst schmerzhaften Knoten im Gehirn verursacht?
Gibt es also keine Lügenpresse?
Nein, die gibt es nicht, weil ich das Wort scheisse finde (gefühlte Realität, Blogger als Mittelpunkt der Welt halt). Gibt es Medien, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen? Ja, ganz sicher. Aus mehreren Gründen:
- Medien haben mitunter nicht mehr die Zeit, den Wahrheitsgehalt einer Meldung zu prüfen («raus damit, kost ja nix»).
- Medien wollen Leser binden («raus damit, das wollen unsere Leser»)
- Medien wollen ihre Meldungen verkaufen. Je kontroverser eine Meldung ist, umso mehr wird sie gelesen («raus damit, liest ja wer»)
- Medien haben teils ihre eigene politische / gesellschaftliche Agenda («raus damit, das entspricht ja genau unseren Zielen»)
Der grösste Teil an Meldungen und Artikeln ist aber recherchiert und wahr (teils mit einem eigenen Blickwinkel, der dieselbe Wahrheit in Zeitung a exakt gegenteilig darstellt wie in Zeitung b).
Wie können wir uns wehren?
Zunächst mal: Teilen sie nicht einfach jeden Scheiss. Und hierfür ist egal, ob besagter Scheiss ihrer Meinung entspricht oder nicht. Wenn ich Lügen teile, sieht mich mein Umfeld als Depp und oft will ich das nicht. Alles, was geteilt und diskutiert wird, bekommt einen höheren Wert (sowohl gesellschaftlich als auch in den Algorithmen unserer sozialen Netzwerke). Wenn also viele teilen und diskutieren, dass der Mond aus Käse besteht, wird der Käsegehalt des Mondes plötzlich gesellschaftlich relevant.
Hinterfragen sie Meldungen und Artikel. Hinterfragen sie insbesondere auch Meldungen und Artikel, die ihrem Weltbild entsprechen (bei den anderen machen sie das ja eh schon). Fangen sie an, weitere Quellen zu lesen: Wenn in einer Zeitung steht, dass alles Elend die Schuld der Rechten ist und in einer anderen, dass alles Elend die Schuld der Linken ist, kann man davon ausgehen, dass mindestens eine lügt (in diesem Fall beide). Suchen sie die Meldung, das Thema im Internet … idealerweise in einem anonymen Browserfenster, damit sie nicht nur das angezeigt bekommen, was sie eh schon kennen. Unsere Filterblase ist schon super, Google, facebook und co. wollen, dass wir in erster Linie die Meldungen sehen, die unsere Meinung bekräftigen, weil – seien wir ehrlich – das sind die Sachen, die wir gerne lesen.
Seien sie offen. Gehen sie davon aus, dass sie, ihre Freunde, ihre Zeitung, ihre Politiker, ihre Helden auch mal Unrecht haben können. Himmel, sogar ich habe manchmal unrecht! Ich weiss: Das ist ein Schock. Da müssen sie jetzt ganz stark sein, ich musste es auch.
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Wenn sie Dinge ins Internet schreiben – und der Einfachheit halber sehe ich diesen Blog jetzt mal als Teil des Internets – dann werden diese Dinge auch gespeichert, damit sie für spätere Besucher dargestellt werden können. Wollen sie das nicht, schreiben sie nichts ins Internet (für meine Argumentation: In diesen Blog).
Weil ich nicht jeglichen Scheiss hier stehen haben will (ich brauche zum Beispiel weder billige Ray Bans noch Viagra), moderiere ich alle Kommentare. Sie müssen zum Kommentieren weder ihren Namen, noch eine Email- oder Websiteadresse angeben. Ohne Name und Email ist die Gefahr aber wesentlich grösser, dass ich einen Kommentar lösche statt ihn zu veröffentlichen.
Wer jetzt «Zensur» oder «Meinungsfreiheit» brüllen will: Geh Scheissen, wie der Österreicher sagt. Ich respektiere ihr Recht, ihre Meinung zu äussern, behalte mir aber vor, auf meinem Blog nicht jedem eine Plattform für seine Meinung zu geben. Ich brülle meinen Unsinn ja auch nicht in ihrem Wohnzimmer rum.